Beziehung braucht Kontakt, Begegnung und Vertrauen. Viele Menschen finden beides weder in der Kirche noch in der Politik – und darum auch sich selbst dort nicht wieder. So lässt sich eine der vielen Perspektiven eines diskutierfreudigen Podiums zusammenfassen, das sich dem Thema „Beziehung“ am 09.11. im Rahmen der Auftaktveranstaltung der KHG Graz widmete.
Ein von Furche-Chefredakteurin Doris Helmberger-Fleckl moderiertes Podium stellte sich der Frage nach der Beziehungsfähigkeit von kirchlichen und politischen Einrichtungen, wie Beziehung gelingen kann und warum sie scheitert. Der Pastoraltheologe Bernd Hillebrand war dabei um klare Worte nicht verlegen: Ohne entsprechende Räume der „Gastlichkeit“ und der „bedingungslosen Annahme“ verfehle Kirche eine wesentliche Dimension ihres Auftrags. Nur wenn es Orte der Begegnung gibt, könne es erst zu Beziehung kommen – aus seiner Erfahrung als einstiger Hochschulpfarrer heraus betonte er, dass man als Kirche den direkten Kontakt suchen müsse. Im Zentrum muss dabei das Leben der Menschen stehen, so der Pastoraltheologe: „Dort, wo es um die Existenz des Menschen geht, braucht es das Evangelium. Dort beginnt Kirche erst wirklich.“
Die Fundamentaltheologin Martina Bär bekräftigte, dass man als Kirche nicht warten könne, bis Menschen auf einen zukommen. Den Dialog suchen sei genauso wichtig wie Räume für Dialog schaffen. Man sollte aber nicht nur mit denen sprechen, die am kirchlichen Leben teilnehmen, sondern insbesondere mit Ausgetretenen im Gespräch bleiben: von ihnen erfahre man, wo Kirche neu ansetzen und sich verändern muss. Der ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler verglich eine Beziehung mit einer Brücke: wenn diese zu sehr belastet sei, stürze sie ein. Politischen Institutionen und Parteien gehe es da nicht anders als kirchlichen Einrichtungen, denn das Vertrauen vieler Menschen in beide sei verloren gegangen. Mit einer Anedokte bestätigte auch er die Wichtigkeit direkten Kontakts: Wer eine Institution der EU von innen gesehen hat, habe auch eine wesentlich positivere Einstellung zu ihr.
Auf die Frage, ob insbesondere junge Menschen durch Social Media und co. nicht wesentliche soziale Fähigkeiten verloren haben, fand das Podium klare Worte: körperliche Nähe und direkter Austausch seien nicht ersetzbar durch Online-Beziehungen. Es sei aber eine „Generationenfrage“, wandte Hillebrand ein, denn für junge Menschen „ist das Digitale ein Teil ihrer Existenz“. Um Fundamentalismus und Bubble-Bildung entgegenzuwirken, brauche es ein regulierendes Eingreifen der Politik und eine bessere Kommunikation „der politischen Mitte“, so Franz Fischler. Als Kirche könne man hier positiv mitwirken, so Hillebrand, wenn man Räume für die Menschen schaffe und nicht Menschen für den Erhalt von Strukturen einsetze. Kirchliche Orte müssen Beziehungsorte sein: denn das Christentum selbst sei eine „Beziehungsreligion“.