Armenien Reise Nachlese
Fahrten durch Landschaften von paradiesisch
anmutender Schönheit mit
Almwiesen in bunter Blütenpracht.
Uralte Kirchen erfüllt vom betörenden
Klang liturgischer Gesänge. Überwältigend
herzliche Gastfreundschaft. All das gepaart
mit der Erinnerung an den Völkermord,
dem 1915 eineinhalb Millionen Menschen
zum Opfer fielen und dem Wissen um die
mehr als hunderttausend Flüchtlinge im
Land, die 2023 über Nacht ihre Heimat in
Berg-Karabach verlassen mussten, erzeugten
bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern
der Reise nach Armenien ein Wechselbad
der Gefühle.
Die vor sechzig Jahren von Kardinal
Franz König gegründete Stiftung „Pro Oriente“
hatte gemeinsam mit der Katholischen
Hochschulgemeinde zur Solidaritätsreise
in das Land zu Füßen des immer
schneebedeckten Berges Ararat, der unerreichbar
jenseits der geschlossenen Grenzen
in der Türkei liegt, eingeladen. Auf
dem Weg von der Hauptstadt Jerewan zum
Sitz des Oberhauptes der armenisch-apostolischen
Kirche in Etschmiadsin passierte
die Gruppe das Dorf Musa Ler, das
Überlebende des Genozids aus Musa Dagh
gegründet hatten. Franz Werfel hatte 1933
versucht, die Weltöffentlichkeit mit seinem
Jahrhundertroman „Die vierzig Tage des
Musa Dagh“ auf das Schicksal des armenischen
Volkes aufmerksam zu machen.
„Wir fühlen uns mit der armenischen Kirche
eng verbunden“, versicherte Bischof
Wilhelm Krautwaschl, der die Gruppe anführte
und auf der Reise durch das Land
die ganze Woche begleitete, bei der Begegnung
mit Katholikos Karekin II. in dessen
Amtssitz. In der sehr persönlich gestalteten
Audienz bedankte sich der Patriarch
der armenisch-apostolischen Kirche für
das Gebet und die materielle Hilfe und
machte auf den Einsatz seiner Kirche für
die Flüchtlinge aus dem annektierten Berg-
Karabach aufmerksam. Zuvor hatte er an
seine Studienzeit in Wien erinnert und dass
er Kardinal König in den sechziger Jahren
zum Empfang mit Papst Paul VI. im Vatikan
begleiten durfte, ein außergewöhnliches
und für den damaligen Sowjetbürger
durchaus nicht ungefährliches Ereignis.
Gemeinsam mit Bischof Tiran Petrosyan,
der zur Zeit Vorsitzender des Ökumenischen
Rates der Kirchen in Österreich ist,
brachte der Katholikos auch seine Dankbarkeit
dafür zum Ausdruck, dass der armenisch-
apostolischen Gemeinde in der
Steiermark bereits über viele Jahre Gastfreundschaft
in der Welschen Kirche am
Grazer Griesplatz gewährt wird.
Dankbarkeit und Staunen über landschaftliche
Schönheit und die spirituelle
Kraft der archaischen Kirchen, Klöster
und unzähligen Kreuzsteine, die das ganze
Land prägen, erfüllten die von strahlendem
Sonnenschein geprägten Tage in
Armenien. Dass während der Reise eine
historisch bedeutsame Kirche in Schuschi
in Berg-Karabach vollständig zerstört wurde,
stimmte nicht nur sehr traurig, sondern
machte die Notwendigkeit, auf eine von
der Welt viel zu wenig beachtete Unrechtssituation
aufmerksam zu machen, umso
dringlicher.
Alois Kölbl