Das war das von Claudia Gigler umsichtig moderierte, offene Zwiegespräch des Innsbrucker Bischofs Hermann Glettler mit dem ökosozialen Vordenker und Vizekanzler a.D. Josef Riegler im Quartier Leech. HALT lautet dort das neue, auf gesellschaftliche Such- und Abgrenzungsbewegungen in einer krisengebeutelten Zeit reagierende Jahresthema. Eingeleitet vom flammenden – aufgrund von tragischen Todesfällen an der Grenze leider aktuellen – Spoken-Word-Appell der Theologin Ida Jaritz, das Schicksal geflohener Menschen nicht auf die Seite zu schieben, sprachen – und teilweise: meditierten – die beiden religiös, sozial und ökologisch engagierten und in global-ethischen Dimensionen denkenden Redner über Aspekte wie Social-Media-Echokammern und digitale Chancen, psychosoziale Probleme und Ängste, die späte Gnade einer seit Jahrzehnten geforderten und nun endlich ins Werk gesetzten ökosozialen Steuerreform sowie über die harte Haltung Österreichs in der Flüchtlingsfrage und handfeste Gesten des Respekts im (interkulturellen) Alltag. Mit Blick auf die schöpferische Kraft einer Menschheit, die Sonden zum Mars schickt und in Rekordzeit eine Impfung gegen eine grassierende Pandemie ausrollt, zitierte Riegler am Beginn António Guterres, der meint, dass wir den Wissenschaftstest zwar bestanden haben, aber in Ethik – vorerst – „durchgefallen“ sind. Unausgesprochen, aber eindeutig, war dieser Gesprächsabend im rappelvollen QL-Saal auch eine klare Antithese zur rücksichtslosen, jeden Selbstzweifel und jede Unsicherheit ausblendenden „radikalen Durchökonomisierung“ (Glettler), die sich in diesen Tagen etwa im politischen Feld marketingtauglich abbildet – und letztlich scheitert. Bewusst nicht als Konfliktformat, sondern als zutrauensvolle Begegnung angelegt, nährte sich der auch spirituell dichte Gedankenaustausch aus zwei mit Sinn und authentischem Glauben erfüllten Lebensentwürfen. Das gemeinsame Fragen, offene Zweifeln und die gerade in der Coronakrise performativ wichtige Begegnung mit dem und der Anderen nimmt Ängste und gibt in unserer ökologischen und gesundheitlichen Großkrise (Riegler) Halt. Den eingangs erwähnten ethischen Dilemmata und den „Bremsern“ ökosozialer Politik, so der ehemalige Vizekanzler, kann man mit einer reflektierenden, aus dem Brunnen des Glaubens schöpfenden Haltung zuversichtlich entgegentreten. Daran kann man sich anhalten, festhalten. So was gibt Halt.
Florian Traussnig